Chris Ferguson

Ich will heute über einen meiner absoluten Lieblingsspieler reden. Warum hat er bei mir diesen Status? Nun, abgesehen von einer geradezu sagenhaften Karriere gefällt mir seine Persönlichkeit, die er am Tisch zu Tage trägt. Ich halte nicht viel von Leuten, die meinen, sie müßten in die Psyche ihrer Gegner eindringen, indem sie viel, laut oder teilweise einfach nur Blödsinn reden (wobei ein Daniel Negrenau bei seinen Plapperanfällen größtenteils auch genug Stil und Humor an den Tag legt – aber ein Tony G ist für mich beispielsweise nach den Szenen, die ich von ihm bisher schon gesehen habe, ein rotes Tuch). Ein Chris Ferguson schafft es, ohne dummes Gerede alleine durch seine Präsenz am Tisch und seine analytischen Fähigkeiten ein Spiel zu dominieren. Ich habe auch großen Respekt für seinen Ansatz zu Poker – für ihn steht nach seinen Aussagen das Geld nicht im Vordergrund, es geht um Prestige, die Ehre und das Gefühl, etwas erreicht zu haben, wenn man als letzter vom Finaltisch aufsteht.

Das ist auch der Grund, warum er viel lieber bei Turnieren als bei Cash Games spielt. Er hat diesbezüglich auch einmal gemeint: “Ich nehme Leuten nicht gerne Geld ab, wenn ich herausgefunden habe, wie sie spielen. Das ist nicht mein Stil. Aber wenn sie das Geld für ein Turnier bezahlt haben, ist das Geld ohnehin weg. Und ich versuche, das Turnier zu gewinnen. Es gibt beim Turnier nur ein Ziel. Und das ist meiner Meinung nach wichtiger als nur das Geld.”

Natürlich läßt es sich leicht reden, wenn man den Erfolg einmal kurz Revue passieren läßt: 5 WSOP Armbänder und 2 WSOP Circuit Ringe – und insgesamt bisher über $7.000.000 an Preisgeldern eingestrichen. Das klingt unglaublich viel – ist es auch. Vor allem für einen Menschen, der noch im Jahre 2000 bei einem Interview bekannt gegeben hat, daß Poker für ihn eine Nebensache ist und er später eigentlich in Analytik und Börsengeschäfte involviert sein will.

Chris Ferguson wurde am 11. April 1963 geboren und ist in Los Angeles aufgewachsen. Seine Eltern haben Doktorentitel in Physik und Mathematik, Chris selber hat sein Studium für Computerwissenschaften und Analytik erfolgreich abgeschlossen – und diese Grundlagen kommen ihm beim Pokern sehr zugute. Er hat das Spiel selber geradezu akribisch untersucht und das photographische Gedächtnis, das man ihm nachsagt, hat ihm dabei sicher auch geholfen. Nur ein Blinder könnte Chris Ferguson am Tisch nicht erkennen, sein Pokeroutfit umfaßt einen Cowboyhut und eine Sonnenbrille, dazu kommen noch seine charismatischen langen Haare und der Bart… er ist definitiv ein Unikum. Auch in der Hinsicht, daß er beispielsweise – erfolgreich – innerhalb von 16 Monaten aus einer Bankroll von $0 (nichts, null, zero, nada, niente, rien) eine Bankroll von $10.000 aufgebaut hat. Für ihn war das einfach ein interessantes Experiment…

Abseits der Pokertische trägt seinen Hut übrigens nicht, es ist einfach seine Art, sich einzustimmen und auf das Pokerspiel zu konzentrieren. Seinen Spitznamen “Jesus”, den er selber zwar nie verwendet, der ihn aber auch nicht stört, hat er wohl seinen langen Haaren und dem ruhigen, ja schon zurückhaltenden Benehmen zu verdanken. Laut eigenen Angaben ist es ihm lieber, wenn jemand auf ihn zukommt und sich vorstellt, weil er normalerweise nie andere Leute anspricht. Also wenn Sie einmal bei den von ihm bevorzugten WSOP Turnieren einen langzottigen Cowboy sehen, scheuen Sie sich nicht, ihn anzusprechen. Wenn man seine Erfolge beim Pokern aufzählt und unter anderem über den Poker Weltmeistertitel stolpert, sollte man aber auch nicht außer Acht lassen, daß er beispielsweise auch so ganz nebenbei Champion im Swing Ballroom Dancing ist.

Chris Ferguson ist ein Mann mit vielen Interessen neben Poker. Nicht zuletzt deshalb bin ich von ihm so beeindruckt. Für mich hat Chris Ferguson beinahe keine Schwächen oder Fehler, die man ihm ankreiden kann. Man muß schon genau suchen, um bei ihm etwas kritisieren zu können. Ein Mensch, der trotz aller Pokererfolge und des vielen Geldes, das dabei involviert ist, fest im Leben steht und als Lieblingsfilm “Monty Python’s Holy Grail” (“Monty Pythons – Die Ritter der Kokosnuß”) angibt, kann eigentlich nur an einer Stelle enttäuschen: die richtige Antwort wäre “Monty Python’s Life of Brian” (“Das Leben des Brian”) gewesen. Knapp daneben, Mr. Ferguson. Aber niemand ist vollkommen.