Pokerstrategie für erfahrene Pokerspieler – Erkennen Sie die Hand des Gegners

Eine der beeindruckendsten Fähigkeiten von gewissen Pokerspielern ist wohl das Bestimmen der Hand ihres Gegners. Während beispielsweise Daniel Negreanu in dieser Hinsicht ein Phänomen ist und sehr oft die exakte Hand seiner Gegenspieler zu kennen scheint, sollten wir zumindest in der Lage sein, die schlechteste und beste Hand eines Spielers abschätzen zu können. Wenn wir seine Hand in einen bestimmten Bereich einordnen können, werden wir deutlich mehr Hände gewinnen.

David Sklansky schrieb in seinem Buch Theory of Poker (Pokertheorie) im Kapitel Fundamental Theorem of Poker (Fundamentaler Pokerlehrsatz) folgendes: “Jedes mal, wenn Sie eine Hand anders gespielt hätten, wenn Sie die Hände Ihrer Gegner gekannt hätten, gewinnen diese; jedes mal, wenn Sie eine Hand genau so gespielt haben, wie Sie sie gespielt hätten, wenn Sie die Hände Ihrer Gegner gekannt hätten, gewinnen Sie.”

Was er mit diesem zugegebenermaßen leicht verworrenen Satzkonstrukt sagen will, liegt auf der Hand (im wahrsten Sinne): Versuchen Sie, Ihrem Gegner eine bestimmte Hand zuzuordnen. Damit können Sie sozusagen so spielen, als ob Sie seine Hand kennen. Wenn Sie seine tatsächlichen Karten kennen würden, wäre das natürlich am leichtesten und Sie wüßten genau, welche Aktion Sie zu setzen hätten – Check, Call, Bet, Raise oder Fold.

Nachdem wir einem Gegner nicht einfach in die Karten schauen können, müssen wir versuchen, durch genaue Beobachtung und erhöhte Aufmerksamkeit zumindest einen bestimmten Bereich festzulegen. Wenn wir nun dem Gegner die bestmögliche Hand aus diesem Bereich zugestehen, haben wir sozusagen denselben Vorteil, als ob wir seine Hole Cards gesehen hätten.

Zu Beginn einer Hand ist das Festlegen eines Gegners auf eine bestimmte Hand am schwierigsten, weil uns ganz einfach die nötigen Informationen fehlen. Aber überlegen wir einmal in Ruhe – gibt es nicht bereits ein paar Dinge, die wir wissen könnten und die uns helfen, schon vor dem Flop die Karten unserer Gegenspieler einzuschätzen?

Zuerst stellen wir einmal fest, wie oft unser Gegner vor dem Flop bietet. 10% oder weniger gilt als sehr vorsichtig und wir können davon ausgehen, daß dieser Gegner tight spielt und mit großer Wahrscheinlichkeit eine sehr gute Starthand hat, wenn er einmal die Initiative ergreift. Wenn Sie nicht ebenfalls wirklich gute Karten haben, vergessen Sie diese Hand gleich wieder. Ein Spieler, der 15% – 20% der Karten spielt, gilt auch noch als relativ tight, ist aber deutlich leichter zu schlagen.

Die nächste Information, die wir benötigen, ist die Häufigkeit von Raises dieses Spielers vor dem Flop. Nehmen wir einmal an, der betroffene Gegner spielt ca. 17% seiner Hände und macht bei 15% einen Pre-Flop Raise.

Wenn dieser Spieler nun einen Pre-Flop Raise macht, können Sie getrost annehmen, daß er wirklich gute Karten hat, vermutlich nicht viel unter AA – wenn nicht sogar genau diese. Wenn er einen Raise mitgeht aber nicht seinerseits nochmals erhöht, fällt der Wert seine Karten für uns. Falls es sich um einen Multi-Way Pot handelt, ändert sich der Bereich, in dem wir seine Hand ansiedeln, erneut – es gibt einfach viele Hände, die ein tight-aggressiver Spieler in einem Multi-Way Pot nicht spielen wird.

Eine Beispielhand zur Erklärung

Beispiel: Sie erhöhen Pre-Flop mit QQ, zwei weitere Spieler limpen mit und der Gegner, auf den wir uns besonders konzentrieren, geht ebenfalls mit. Seine Hand wird irgendwo bei AJ, AT, A2-9s, KQs-o, KJs bzw. einem Paar von 2-J oder hohen suited Connectors (also gleichfarbigen, direkt aufeinander folgenden Karten wie 65, T9, … ) liegen.

Wir wissen, daß er kein Paar Damen oder höher besitzt, bzw. auch AK, weil er in diesem Fall erhöht hätte, um noch einen oder anderen Gegenspieler aus dem Spiel zu nehmen, bevor dieser am Flop Glück haben kann.

Da es sich hierbei noch um einen sehr ungenauen Bereich für die potentielle Hand des Gegners handelt, müssen wir nach dem Flop noch mehr Informationen sammeln, um die Möglichkeiten weiter einzuengen.

Am Flop: 2c-7h-6h

Bei einem NL $1/$2 würden Sie jetzt am besten mit einem ordentlichen Einsatz von $20 ins Rennen starten. Die beiden Limper legen ihre Karten weg aber unser Hauptgegner macht ohne zu zögern einen Call. Wir haben bereits vor dem Flop hohe Paare ab Damen ausgeschlossen und können jetzt auch die Overcards ausschließen, da am Flop nur niedrige Karten liegen und er nach unserem Einsatz die erwähnten Kartenvariationen abgelegt hätte. Overpairs (also in diesem Fall 88, 99, TT oder JJ) schließen wir ebenfalls aus, weil er normalerweise in diesem Fall unsere Wette noch erhöht hätte.

Somit bleiben nur mehr Draws, schwache Paare, zwei Paare und Sets (also ein Drilling, bei dem 2 der Karten in den Hole Cards des Spielers sind). Seine Pocket Cards liegen also in einem Bereich von 67s, beliebigen open ended Straight Connectors, beliebigen Herzkarten, die connected sind, oder einem Set aus 2, 6 oder 7.

Am Turn: Th

Mit dem hohen Overpair legen Sie nun $40 in den Put und Ihr Gegner … geht All-In? Was nun? Seine Hand wird nun deutlich genauer eingegrenzt. Am wahrscheinlichsten ist es, daß er seine Draw Hand getroffen hat, da er die beiden vorigen Runden jeweils Calls gemacht hat. Das niedrige bis mittlere Set wäre natürlich auch nach wie vor eine Möglichkeit. Seine Karten legen wir nun also auf einen Herz Flush, 6-T Straight oder ein Set von 2, 6 oder 7 fest.

Wenn Sie mit Ihren Karten nicht die Mehrheit dieser Hände schlagen können, sollten Sie sie weglegen. In unserem Fall halten wir QQ und würden damit gegen all die erwähnten Hände verlieren. Um uns mit ihm messen zu können, würden wir wenigstens seine mögliche 6-T Straight in unseren Händen halten – andererseits hätten wir in diesem Fall wirklich schreckliche Wetteinsätze getätigt.

Wir werden also in diesem Fall unsere bisherigen Einsätze am besten am Tisch liegen lassen (es sei denn, sein All-In liegt so marginal über unseren zuletzt gesetzten $40, daß wir rein aus mathematischen Gründen dennoch einen Call machen müssen), um nicht ins offene Messer zu laufen und noch deutlich mehr zu verlieren. Manchmal kann man alles richtig machen und muß dann trotzdem klein beigeben.

Zusammenfassung und Schlußfolgerung

Die Fähigkeit, Ihren Gegner auf eine bestimmte Hand oder wenigstens einen abgegrenzten Bereich an Händen zu setzen, kann zum wichtigsten Werkzeug in Ihrem Pokerspiel werden. Es ist wichtig, diesen Pokerskill immer und immer wieder zu üben und einzusetzen, am besten bei jedem einzelnen Pokerspiel. Nur dann können Sie diesen Vorteil auch in Ihre Pokerstrategie implementieren.

Durch das korrekte Einschätzen werden Sie lernen, unnötig hohe Verluste zu vermeiden und werden auch in der Lage sein, Ihre Gewinne zu optimieren. Auf lange Sicht gesehen werden Sie damit einen deutlichen Vorteil gegenüber Ihren Konkurrenten haben.

Ein letzter Hinweis: Wenn Sie gegen einen Pokerneuling spielen, verlassen Sie sich nicht zu sehr auf Ihre Fähigkeit, seine Hand vorhersagen zu können, da er sich oft unorthodox verhalten wird.